Merken

Düstere Aussichten für Weihnachten

Ein Wohnungsbrand hat das Leben einer Dobraer Familie auf den Kopf gestellt. Was hilft, ist der Zusammenhalt im Dorf.

Von Gunnar Klehm
 5 Min.
Teilen
Folgen
Das war mal Kevins Zimmer. Ursprünglich hatte Mutter Kerstin Loewel gehofft, dass die Folgen des verheerenden Wohnungsbrands im Februar schneller beseitigt werden könnten. Doch noch immer wohnen sie in einem Ausweichquartier.
Das war mal Kevins Zimmer. Ursprünglich hatte Mutter Kerstin Loewel gehofft, dass die Folgen des verheerenden Wohnungsbrands im Februar schneller beseitigt werden könnten. Doch noch immer wohnen sie in einem Ausweichquartier. © Dirk Zschiedrich

Die Mauern stehen noch. Alles andere ist futsch. Die Deckenbalken sind verkohlt, das halbe Haus ist ausgebrannt, die andere Hälfte vom Löschwassereinsatz unbewohnbar. „Mehr als hunderttausend Liter wurden hier durchgejagt“, sagt Eigentümer Jörg Hanisch. Das habe ihm ein Feuerwehrmann nach dem Unglück am 9. Februar dieses Jahres erzählt, als sein Haus in Dobra bei Dürrröhrsdorf-Dittersbach in Flammen aufging. Zum Glück war zu dem Zeitpunkt niemand zu Hause, so wurde niemand verletzt. Bis vorige Woche war das durchlöcherte Dach nur mit einer Plane abgedeckt. Inzwischen sind Ziegel drauf – vorübergehend, damit der nahende Winter nicht noch mehr Unheil anrichtet.

Wenn es nach Jörg Hanisch, Kerstin Loewel und ihren beiden jugendlichen Kindern ginge, würden sie schon längst wieder in ihren vier Wänden wohnen. Doch von einem Wiedereinzug sind sie weit entfernt. Es gibt noch nicht mal einen Termin für den Beginn des Wiederaufbaus. Dieses Weihnachten muss die Familie in ihrer Übergangswohnung verbringen. Der Gedanke daran macht der Mutter jetzt noch mehr zu schaffen, als es die ungewisse Situation sowieso schon tut.

Kürzlich hatte sie Kontakt zu Leidensgenossen aufgenommen, denen es ähnlich wie ihrer Familie geht. Die Sorgen der Eichners aus Heidenau hatte die Sächsische Zeitung beschrieben. Diese hatten danach unheimlich viel Zuspruch und mutmachende Mitteilungen bekommen. „Das tut sehr gut zu wissen, dass man mit seinen Problemen nicht ganz allein ist“, sagte Sandro Eichner danach. Bei ihm scheint es, dass sich nun etwas in Sachen Wiederaufbau bewegt. Das sah für Außenstehende auch beim Haus von Jörg Hanisch in Dobra so aus. Doch die neu verlegten grauen Dachziegel kommen nach dem Winter wieder runter. Das Haus braucht einen neuen Dachstuhl. Ob der alte mit den verkohlten Hölzern den Winter übersteht, dürfte davon abhängen, wie viel Schnee es gibt. Drinnen sieht es katastrophal aus.

Bei dem Wohnungsbrand am 9. Februar konnte die Feuerwehr nur mit Atemschutz ins Innere des Hauses, das zur Hälfte ausbrannte.  
Bei dem Wohnungsbrand am 9. Februar konnte die Feuerwehr nur mit Atemschutz ins Innere des Hauses, das zur Hälfte ausbrannte.   © Marko Förster

Es gibt aber ein Problem, das die Hausbewohner so nicht auf dem Schirm hatten: Der Zweiseithof steht auf der Denkmalliste. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals darüber informiert wurden“, sagt Kerstin Loewel. Die Folge ist, dass am Haus nicht einfach so gebaut werden kann, wie es die Hausherren oder die Baufirmen gern hätten. Das Denkmalamt sitzt mit im Boot. Was wie zu erhalten ist, ist zwar soweit geklärt, dass es seit ein paar Tagen eine Baugenehmigung gibt. Doch an der Außenhülle wird im Winter nicht mehr gebaut. Innen wurde inzwischen alles entfernt, was vom Frost zerstört werden könnte. Die Elektrik wurde bei dem Brand vernichtet, die Heizung funktioniert nicht mehr.

Jeden Tag kommt Jörg Hanisch zum Haus, um die Katzen zu versorgen. Die suchen sich im Winter ein kuscheliges Plätzchen in der Scheune. Er selbst nimmt das alles nicht so leicht. Seit Langem ist er krank und lebt von Hartz IV, wie er sagt. Unter den gegenwärtigen Umständen wird sich daran nichts verbessern. An den schicksalhaften Tag erinnert sich der 52-Jährige noch genau. Er war gerade beim Einkaufen, als ihn ein Freund anrief und ihn bat, schleunigst nach Hause zu kommen, weil sein Haus brenne. Als er ankam, hatte die Feuerwehr die Tür schon aufgebrochen und wenigstens die beiden Hunde gerettet. Die Hamster waren erstickt. Wie es zum Brand kam, ist unklar. Die Ermittler gehen davon aus, dass sich das Feuer im Kinderzimmer aus jener Ecke ausbreitete, in der die Technik des Jungen stand.

Versicherung zahlt nicht alles

Auch Kerstin Loewel hat noch genau vor Augen, wie die Drehleiter der Feuerwehr Neustadt an dem Blumenladen vorbeifuhr, in dem sie arbeitet. „Da haben wir noch gesagt: Wer weiß, was jetzt wieder los ist“, erzählt sie. Kurz danach erfuhr sie, dass das Feuerwehrauto zu ihrem Wohnhaus unterwegs war. Das ist etwa 200 Jahre alt und baugeschichtlich von Bedeutung, wie es in der Denkmalliste heißt. Dort ist es als „Wohnstallhaus und Scheune eines Zweiseithofes“ neben 13 weiteren denkmalgeschützten Häusern im Dorf aufgeführt. Ein denkmalgerechter Wiederaufbau kostet mehr Geld als gewöhnlich. Wenn die Gebäudeversicherung das komplett übernimmt, wäre das für Jörg Hanisch auch okay, wenn man mal von der zeitaufwendigeren Planung und Umsetzung absieht. Doch die Versicherung übernimmt nicht alles. Eine Prüfung hatte ergeben, dass die Eigentümer unterversichert sind. Statt der tatsächlichen Wohnfläche von etwa 160 Quadratmetern, waren im Vertrag nur 140 angegeben. „Wir hatten sogar schon eine höhere Versicherung ab März vereinbart“, sagt Kerstin Loewel. Doch der Brand kam vorher.

Weil sie nun unterversichert sind, müssen sie einen Eigenanteil für die überzähligen Quadratmeter zahlen. Erhöhen sich nun wegen des Denkmalschutzes die Gesamtbaukosten, müssen auch sie mehr berappen. Das gibt das Familienbudget aber nicht her. Nun versuchen sie, das mit Eigenleistungen aufzubringen. Die Entkernung haben sie mit den engsten Freunden erledigt. Inzwischen gibt es aber nichts mehr, was man noch selbst tun könnte. Nun warten sie darauf, dass es endlich mal eine Aufschlüsselung der möglichen Gesamtkosten gibt, um irgendwie zu erfahren, worauf sie sich gefasst machen müssen. Doch die Planer planen noch.

In dem Haus lebt Jörg Hanisch schon sein ganzes Leben lang. Er hat es geerbt. Das Dorfleben ist seine Welt. Am Brandtag hat sich diese Gemeinschaft auch sofort gezeigt. Es wurden Sach- und Geldspenden gesammelt. Zum ersten Mal wohnt er jetzt zur Miete. Die Familie ist zwar froh, dass sie im Dorf was gefunden haben. „Aber in den eigenen vier Wänden ist es doch was ganz anderes“, sagt er. Doch wann das wieder der Fall sein wird, kann ihm gegenwärtig keiner sagen. Es wird das erste Weihnachten im fremden Haus. „Und wir haben noch nicht mal Deko“, sagt Kerstin Loewel. Die war auf dem Dachboden verstaut …