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Bio, öko, tierlieb - und braun

„Umweltschutz ist Heimatschutz“ - unter dieser Parole vertreten Neonazis Positionen, die gemeinhin als grün und links gelten: Gegen TTIP, für Biolandbau, gegen Gentechnik. Für die grüne Partei ist das eine Herausforderung.

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© dpa

Christoph Lemmer

München. Fensterlose Baracken aus der DDR-Zeit auf einem riesigen umzäunten Gelände, das nördlich an die Bundesstraße 169 grenzt und im Süden an den Flugplatz Chemnitz-Jahnsdorf (Sachsen). An einem Einfahrtstor ein Firmenschild: „Eifrisch Vertriebsgesellschaft mbH“. In den Baracken werden Legehennen gehalten, schätzungsweise einige hunderttausend.

Massentierhaltung, wie sie die Grünen abschaffen möchten. „In Deutschland brauchen wir keine Ställe mit 10 000 Schweinen oder 40 000 Hühnchen“, begründete Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter seinen Vorstoß für ein Verbot. Das dürften nicht nur Parteifreunde so sehen, sondern auch Rechtsradikale bis hin zu militanten Gewalttätern. Die Firma „Eifrisch“ stand sogar auf einer Liste mutmaßlicher Anschlagsziele des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU).

Bio und öko ist ein Thema, bei dem linke Grüne und rechte Braune viele gemeinsame Positionen vertreten: Für ökologische Landwirtschaft, für Bio-Lebensmittel und regionale Produkte, gegen Gentechnik, gegen Massentierhaltung. Diese Gemeinsamkeiten fallen natürlich auch denen auf, die sie politisch am stärksten betreffen.

„Wir erleben, dass AfD, Pegida und andere Gruppen bestimmte Themen ansprechen, die unseren ähneln oder sogar gleich klingen“, sagt Gesine Agena, Mitglied im Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen und zuständig für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus.

Besonders augenfällig wurde das vergangenen Herbst, als 250 000 Menschen in Berlin gegen TTIP protestierten. Neben Gewerkschaften und linken Gruppen hatten auch die Grünen dafür mobilisiert - und eben auch rechtsradikale Gruppen. Die Grüne Agena räumt ein, dass „es nach der TTIP-Demo viel Kritik gab“. Deshalb sei bei späteren Umweltdemonstrationen mit Lautsprecheransagen extra deutlich gemacht worden, dass „wir auch gegen Ausgrenzung und Rassismus“ sind.

Ralf Fücks, Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, schreibt in einer Textsammlung unter dem Titel „Braune Ökologen“, dass „Ökologie und Umweltschutz von völkisch-nationalistischen und rechtsextremistischen Ideologien vereinnahmt werden“. Das sei kein neues Phänomen. „Zeugnisse dafür finden wir bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts.“

Rechtsradikale gehörten sogar zu den Gründern der Grünen. Dank blumiger Hippie-Outfits fielen sie zumindest optisch auch nicht unangenehm auf. Einer der prominenteren Grünen-Mitgründer war der als Ökobauer titulierte Baldur Springmann. Nach seinem Tod erschien eine Traueranzeige für ihn in der „Nordischen Zeitung“, dem Blatt der rechtsradikalen „Artgemeinschaft - germanische Glaubensgemeinschaft“.

Springmann, während der Nazizeit Mitglied der SA, sei ein „Förderer“ der „Artgemeinschaft“ gewesen und habe „einen wesentlichen Beitrag zur Gesundung unseres Volkes geleistet“, heißt es in der Anzeige. Als Todesdatum, markiert mit der germanischen Rune statt des üblichen Kreuzes, ist der „24.10.3803“ vermerkt - bezogen auf die Zeitrechnung „nach Stonehenge“, die von rechtsextremen Esoterikern verwendet wird. Nach christlicher Zeitrechnung starb Springmann 2003. Die „Artgemeinschaft“ gehört zu den Gruppen, die mutmaßlich von den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Geldspende aus dem Untergrund erhalten haben sollen.

Auch aktuell gehört Ökologie zu den Themen, mit denen Rechtsextreme jonglieren. „Heimatschutz ist Umweltschutz“ lautet eine in der Szene beliebte Parole. NPD-Vorstandsmitglied Ronny Zasowk sagt, auch in seiner Partei sei der „Themenkomplex Natur- und Umweltschutz [...] elementar“, wenngleich die NPD aber „in der Regel nicht wegen ihrer umweltpolitischen Forderungen und Inhalte“ gewählt werde. An aktuellen Forderungen zählt er auf: „Kampf gegen TTIP, unser konsequentes Nein zum Anbau genetisch veränderter Lebensmittel und die Ablehnung riskanter Technologien wie Fracking“. Und fügt hinzu, die „Ursachen der Natur- und Umweltzerstörung“ seien „vor allem im kapitalistischen Wirtschaften begründet“.

Da fällt die inhaltliche Abgrenzung nach links und grün schwer und erst recht die von allen Parteien immer wieder geforderte politische Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten. „Wir halten es für extrem gefährlich, wenn Rechte versuchen, über die Ökologie ihre Themen zu transportieren“, sagt Agena.

Trotz der ähnlich klingenden Ziele im Detail würden sich die Grünen ganz grundsätzlich von Rechten unterscheiden. „Die entscheidende Frage ist: Sind wir für internationale Gerechtigkeit oder für nationale Räume?“ Die „Argumentation der Rechten“ laute: „Blut und Boden, Lebensraum erhalten, das deutsche Volk erhalten“. Die grüne Partei sei dagegen „klar progressiv und klar gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit“.

Und überdies hätten sich die Grünen schnell von ihren Rechtsauslegern getrennt gehabt - was im Fall Baldur Springmann jedenfalls stimmt: Der hatte die Partei 1980 schon nach nur einem Jahr wieder verlassen. (dpa)