Merken

Baden in der Elbe bei drei Grad minus

Seit zehn Jahren taucht Albert Jäger morgens in der Elbe unter. Zu jeder Jahreszeit.

Von Mareike Huisinga
 3 Min.
Teilen
Folgen
Albert Jäger badet jeden Tag in der Elbe, die vor seiner Haustür fließt. Auch bei den aktuellen eisigen Temperaturen.
Albert Jäger badet jeden Tag in der Elbe, die vor seiner Haustür fließt. Auch bei den aktuellen eisigen Temperaturen. © Foto: Daniel Schäfer

Es sind drei Grad minus Außentemperatur. Gefühlt kälter. Die Elbe vor Albert Jägers Haus in Oberposta hat vielleicht gerade mal sechs Grad. Das hält den 86-Jährigen aber von nichts ab. Im Adamskostüm steigt er die paar Stufen von seinem Wohnhaus zur Elbe hinunter, holt einmal tief Luft und geht langsam in die Elbe. Einmal untertauchen, ein zwei Züge und schon ist er auch wieder draußen. Ja, seine Kapillaren arbeiten auf Hochtouren: Die Haut ist krebsrot. Noch ein paar Schritte an der frischen Luft, danach kehrt er in sein warmes Wohnzimmer zurück, um erst mal gut zu frühstücken. Jetzt kann der Tag beginnen…

Als Warmduscher kann man Alfred Jäger wirklich nicht bezeichnen. Seit zehn Jahren springt er jeden Morgen in die Elbe, im Winter, wie im Sommer. Nur wenige Ausnahmen gibt es: Bei Eis ist die Elbe für ihn tabu, weil zu gefährlich. „Und manchmal fühle ich mich nicht so gut, dann lasse ich das morgendliche Bad ausfallen“, sagt der Senior.

Die Kälte macht ihm nichts aus. „Im Gegenteil. „Ich empfinde die Elbe auch im Winter als Erfrischung“, erläutert der Postaer. Nach dem Bad fühlt er sich wohl in seiner Haut, dieses Wohlbefinden breitet sich auch auf seinen Geist und seine Seele aus. Davon ist er überzeugt.

Allerdings will er niemanden von seinem Frühsport überzeugen. „Das muss jeder selber wissen, ob er so etwas macht“, erklärt Jäger. Anfeindungen oder ungläubige Blicke bekommt er aber auch nicht. Die Nachbarn seien tolerant, winken ihm einen morgendlichen Gruß zu. „Sie kennen mich“, sagt Jäger.

Überhaupt möchte er nicht als spleeniger Exot gelten. „In den östlichen Ländern ist Winterbaden weit verbreitet und hält fit“, informiert er. Aber so weit müsse man gar nicht schauen. Auch in Birkwitz träfe sich jeden Sonnabend eine Truppe, um winters, wie sommers, in den Fluten des Kiessees zu schwimmen. Ein Ehepaar schaffe es sogar, zehn Minuten bei eisigen Temperaturen in dem Wasser zu bleiben. „Das ist alles eine Gewöhnungssache“, weiß Albert Jäger. Jedenfalls sind übliche Erkältungen für ihn seit dem morgendlichen Bad in der Elbe ein Fremdwort.

Nicht nur sein Hang zum Baden fällt erfrischend aus dem Rahmen. Auch der Lebenslauf von Albert Jäger liest sich nicht unbedingt gradlinig. Geboren wird er bei Paderborn und studiert nach dem Abitur Philosophie und Theologie. Im Jahr 1965 gibt er seinen Beruf als katholischer Priester auf. „Den Dogmatismus der Kirche konnte ich nicht mehr aushalten.“ Also sattelt er auf Pädagoge um und arbeitete viele Jahre als Hauptschullehrer in Bielefeld. Seine Frau, deren Grabstein heute in seinem Garten an der Elbe steht, verstarb 1999. Um näher bei seiner Tochter zu sein, die als Pfarrerin in Geising arbeitet, kauft er sich das Haus in Oberposta. „Die Lage an der Elbe hat mir sofort gefallen.“ Bereut hat er diese Entscheidung nie, auch nicht nach der Flut von 2013.

Zwar lebt Albert Jäger allein in dem großen Haus, er ist aber nicht einsam. „Ich habe viele Freunde in Pirna und kommuniziere gerne über das soziale Netzwerk Ipernity.“ Seit 2008 postet er Fotos und schreibt Artikel über Gott und die Welt. Und die Welt antwortet ihm, denn er übersetzt seine Artikel auf Französisch, Englisch und Esperanto. „So hole ich mir das Ausland nach Posta an die Elbe“, sagt der polyglotte Pirnaer und muss selber schmunzeln.